
Nach langem Tauziehen steht endlich der Gegner für das große Homecoming in Oberhausen fest – die Reaktionen fallen gemischt aus.
Das deutsche Boxen hat endlich wieder einen Star: Schwergewicht Agit Kabayel (26-0). Das ist nicht nur erfreulich für ihn selbst, sondern auch für die gesamte nationale Boxszene, die sich davon den lang ersehnten Aufschwung nach Jahren des Stillstands erhofft. Kabayel ist die zentrale Figur, der man zutraut, mit großen internationalen Leistungen vielleicht wieder einen neuen Box-Boom zu entfachen – etwas, wonach sich viele Boxfans in Deutschland sehnen.
Dass Erfolge und Weltmeistertitel allein dafür nicht immer ausreichen, zeigt das prominente Beispiel Abass Baraou (17-1). Der Oberhausener gewann im August sensationell seinen großen Titelkampf in Orlando, Florida, und hält seitdem die WBA-Weltmeisterschaft im Superweltergewicht, die zuvor Boxstar Terence Crawford (42-0) innehatte. Einen Sturm der Begeisterung löste das hierzulande bislang jedoch nicht aus – aus verschiedenen Gründen.
Ein zentraler Unterschied liegt sicherlich in der Gewichtsklasse: Das Schwergewicht genießt vor allem in Europa und Deutschland eine besondere Aufmerksamkeit. Zudem feierte Kabayel seine größten Siege in Riad, also auf der größten Bühne des Weltboxens, während Baraou bislang bei eher kleineren Veranstaltungen kämpfte. Nun möchte man bei Kabayel die Gunst der Stunde nutzen und seine Popularität auch auf den deutschen Markt übertragen – mit einer großen Heimveranstaltung in Oberhausen.
Knyba statt Wilder, Hrgovic, Hysa oder Dubois
Dass das Homecoming von Agit Kabayel stattfinden würde, war bereits seit Wochen bekannt – lediglich der Gegner stand noch aus. Das sorgte natürlich für reichlich Spekulationen: Wer würde es werden? Zunächst galt Nelson Hysa (24-0) als aussichtsreicher Kandidat für Oberhausen. Im Anschluss wurden auch große Namen wie Deontay Wilder (44-4-1), Filip Hrgovic (19-1), Tony Yoka (14-3) oder gar Daniel Dubois (22-3) gehandelt.
Die Erwartungshaltung der Boxfans war entsprechend hoch – und durch das lange Warten sowie die zunehmenden Gerüchte wurde sie nur noch größer. Umso stärker fiel die Ernüchterung aus, als bekannt wurde, dass es keiner der genannten Wunschgegner wurde. Kabayel trifft am 10. Januar auf das ungeschlagene polnische Schwergewicht Damian Knyba (17-0) – eine Wahl, die bei vielen für Verwunderung und teils auch Enttäuschung sorgte, da Knyba im Mainstream bislang kaum bekannt ist.
Knyba steht seit einigen Jahren in den USA beim Promoterriesen Top Rank unter Vertrag. Der 2-Meter-Hüne hat den Großteil seiner Karriere in den Vereinigten Staaten bestritten und dort einige solide Siege eingefahren. Zuletzt war Knyba im Oktober in Brooklyn zu sehen, als er den ehemaligen Amateur-Juniorenweltmeister Joey Dawejko (28-14-4) in der siebten Runde eindrucksvoll stoppte.
The undefeated Polish heavyweight Damian Knyba (17-0) 🇵🇱 stops the former junior world champion Joey Dawejko (28-14-4) 🇺🇸 in the seventh round in Brooklyn, New York.
#GarciaGonzalez pic.twitter.com/HSvlaCnTlA
— Permante (@PermantexG) October 19, 2025
Knyba bringt großen Support aus Polen mit

In Polen wird die Entwicklung von Damian Knyba seit vielen Jahren akribisch verfolgt. Auch dort wartet man schon lange auf den nächsten großen Schwergewichtsstar, der in die Fußstapfen von Andrzej Gołota treten kann. Zwar gab es danach einige Erfolge auf europäischem Niveau, doch keinem polnischen Boxer gelang bislang der ganz große Durchbruch im Schwergewicht.
Ob Knyba das Zeug dazu hat, bleibt abzuwarten. Er ist ein sehr kontrollierter Boxer, der seine enorme Reichweite gezielt ausnutzt und bevorzugt auf Distanz boxt. Neben seinem Jab ist seine gefährlichste Waffe der explosive Haken, mit dem er bereits mehrere Gegner hart fällte. Insgesamt fehlt bei Knyba bislang jedoch das gewisse Etwas, das ihn deutlich über das europäische Niveau hinausheben könnte. Allerdings ist zu erwähnen, dass er bislang noch recht ungetestet erscheint und nun mit Schwergewichtsstar Agit Kabayel seine bisher größte Bewährungsprobe erhalten wird.
Dass man in Oberhausen mit großem polnischem Andrang rechnen darf, zeigt auch die Tatsache, dass Knybas Kämpfe regelmäßig im staatlichen Fernsehsender TVP Sport übertragen werden. Zuletzt sicherte sich der Sender sogar in den USA die Übertragungsrechte, um seine Kämpfe live aus Brooklyn zu zeigen – jenes in den frühen Morgenstunden. Ein Kampf im Nachbarland Deutschland dürfte daher auch in Polen auf großes Interesse stoßen.
Tony Yoka hätte als Gegner sicherlich mehr Anklang gefunden
Dass die Wahl am Ende auf Knyba fiel, kam für viele überraschend. Weder gehört er zu den Boxern von Frank Warren oder Goldstar, noch hat er einen großen Namen, der sich in Deutschland besonders gut vermarkten ließe. Beispielsweise wäre Olympiasieger Tony Yoka als Gegner medial sicher leichter zu vermarkten gewesen – und die Reaktionen auf die Ansetzung wohl deutlich positiver ausgefallen.
Überraschend ist zudem, dass die Nummer 38 der Weltrangliste den Zuschlag für die WBC-Interimsweltmeisterschaft erhalten hat. Eigentlich ging man davon aus, dass für einen solchen Titelkampf eine Platzierung in den Top 15 der WBC erforderlich sei – was hier offenbar nicht der Fall ist, aus welchen Gründen auch immer. Fest steht: Am 10. Januar geht es zwischen Kabayel und Knyba um den WBC-Interimstitel im Schwergewicht.
Appell an die Boxsportfreunde: Unterstützt die hiesige Boxszene

Eines sollte man jedoch ganz grundsätzlich festhalten: Auch wenn Knyba als Gegner vielleicht keine Jubelstürme auslöst und sich viele Fans einen namhafteren Kontrahenten gewünscht hätten, ist dieses Event dennoch ein großer Gewinn für das deutsche Boxen. Mit Agit Kabayel steht ein deutscher Star im Ring, der das Potenzial besitzt, den Boxsport hierzulande wieder ins Rampenlicht zu rücken.
Entscheidend wird dabei auch die Undercard sein. Durch den großen Rahmen erhalten viele Boxer endlich die Chance, sich auf internationaler Bühne zu präsentieren. Wichtig ist, dass die Veranstaltung mit spannenden nationalen Duellen besetzt wird, von denen sowohl die Zuschauer als auch die Athleten profitieren können.
Man darf also gespannt auf die weiteren Ankündigungen für Oberhausen blicken – und sich hoffentlich auf einige Highlights freuen. Der 10. Januar in der Rudolf Weber Arena bleibt jedenfalls ein Pflichttermin für jeden Boxsportfreund in Deutschland – und für alle, die es noch werden wollen.














