Das Weltergewicht im Jahr 2022: Einsame Zweisamkeit und viele Verfolger

Errol Spence Jr. und Terrence Crawford sind die beiden Top-Boxer im Weltergewicht. Wann endlich werden sich die Beiden im Ring gegenüberstehen und der Boxwelt zweigen, wer der beste Weltergewichtler der Welt ist?

Das Weltergewicht scheint für das Jahr 2022 so interessant wie niemals zuvor zu werden

Ein Bericht von unserem neuen Boxen1 Redakteur Sebastian Dracu.

Kaum eine Gewichtsklasse im Boxsport ist zu Beginn des Jahres 2022 so reich an Talent und Spannung, wie die des Weltergewichtes. Neben dem Schwergewicht ist das Weltergewicht eine der wenigen Gewichtsklassen, die nach einem einzigen Kampf zu schreien scheint, der alle Fragen beantworten kann. Doch bei genauere Betrachtung, birgt die Division noch viele interessante Facetten in sich.

Wer ist der wahre König im Weltergewicht? Errol Spence Jr. oder Terrence Crawford.

Die zwei Könige

Errol Spence Junior und Terrence „Bud“ Crawford. Obwohl Errol mit „the Truth“ (Die Wahrheit) seine Bestimmung schon im Namen trägt, stellt sich hoffentlich 2022 endlich die entscheidende Frage, wer der wahre Top-Dog der Division ist.

Terrence Crawford muss sich nichts mehr nach sagen lassen. Sein makelloser Auftritt gegen „Showtime“ Shawn Porter war in zweierlei Hinsicht überzeugend. Ein hellwacher Crawford lies Porter zwar zu Hochform auflaufen, aber demonstrierte in den späten Runden seine absolute Klasse, seine herausragende Verteidigung durch Bein und Oberkörperarbeit, als auch seinen unangefochtenen Killerinstinkt. Als wenige Tage nach dem Kampf ein Video im Netz kursierte, in dem Bud darauf hingewiesen wurde dass Porter nach Punkten führte, Crawford erst verblüfft antwortete und ihn unmittelbar darauf finishte, konnte ich meinen Sinnen kaum glauben. Terrence boxte gegen einen der mit Abstand stärksten Rivalen der Division, eine absolute Paradevorstellung. Das zweite starke Stück bot Crawford in der anschließenden Pressekonferenz in welcher er Bob Arum vor laufenden Kameras den Laufpass gab, mit der Begründung dass Bob Arum nicht in der Lage war, den Kampf mit Spence auf die Bretter zu bringen. Klares Statement.

Danny Gracia

Auf der anderen Seit überzeugte Errol Spence gegen Danny Gracia mindestens genau so überwältigend, zumal Garica definitiv auch noch der absoluten Elite der Gewichtsklasse zuzuordnen war und niemand wusste wie Spence nach seinen schrecklichen Unfall zurück kommen würde. Errol Spence wirkte geduldig, abgeklärt und powervoll wie eh und je. Leider musste Spence den Kampf gegen Manny Pacquiao auf Grund einer Augenverletzung absagen, wodurch den Boxfans ein aktuelles Update seiner Form verwehrt bleibt. Dennoch war er sich nicht zu schade dem Showdown zwischen Porter und Crawford beizuwohnen, um eindeutige Signale an die Öffentlichkeit zu schicken wen er als nächstes im Ring haben will.

Errol Spence Jr.

Die beiden Rechtsausleger sind grade wegen ihren beiden Stilen so schwer einzuordnen, weil sie sich in so vielen Belangen unglaublich ähnlich, in anderen hingegen aber wiederum komplett verschieden sind. Beide sind grandiose Finisher. Beide bleiben strikt beim Gameplan und haben ausgezeichnetes Timing. Während Spence jedoch gerne nach vorne geht und den Gegner mit seinem maschinellen und unermüdlichen Powerjab in die Enge treibt, spielt Bud Crawford eher lieber Katz und Maus, nur um irgendwann mit powervollen, Nadelstich artigen Haken und Kombinationen zu landen.

Beide lieben es jedoch zuerst die Distanz zu etablieren. Die spannende Frage in einem Kampf zwischen den beiden wäre, wer zuerst anfängt das Feuer zu eröffnen (vermutlich Spence…). Crawford weiß gut genug dass er in keinen offenen Schlagabtausch mit Spence will. Spence hingegen scheint mir viel unberechenbarer was sein Mut zum Risiko angeht. In einem bekannten YouTube Video behauptet Spence vor Crawford Backstage, „du wurdest von Gamboa verletzt“, worauf Crawford lässig erwidert „ja das wurde ich“. Errol Spence ist kein Gamboa und man kann sich genug Beispiele zur Hand nehmen, wenn man die zerstörerische Kraft von Errol Spence vor Augen geführt haben möchte.

Terrence Crawford

Dennoch fällt es im Jahr 2022 etwas schwerer Spence die höhere Favoritenrolle zuzuschreiben. Bud war dafür einfach zu stark gegen Shawn Porter. Fakt ist: passiert dieser Kampf endlich 2022, steht den Boxfreunden Weihnachten und Geburtstag an einem einzigen Abend bevor.

Die Verfolger

Es tut mir schon fast ein bisschen leid Yordenis Ugás mit seinem WBA Titel so zu diskreditieren aber er hat in der Klasse von Spence und Crawford erst mal nicht viel verloren. In Pacman und Porter haben sich zwei legitime Top 5 Kandidaten von der Bildfläche verabschiedet und Keith Thurman hat zwar angekündigt dass er zurück kommen wolle, aber auch das bleibt abzuwarten.

Yordenis Ugás

Danny Garcia ist bestimmt noch ein Top 4-8 Kämpfer aber auch er wird weder jünger noch frischer. Frischer ist genau das richtige Stichwort für das große Feld der jüngeren Verfolger, und was Talent angeht kann man einfach nur sagen: Meine Güte!

Vergil Oritz, ein absolutes Powerhouse mit guter Technik und einem grandiosen Killerinstinkt. Jaron „Boots“ Ennis, ein technisch-versierter, agiler und powervoller Fighter. David Avanesyan, ein unglaublich zäher Russe mit Kämpferherz. Connor Benn, immer unter Feuer weil er sich und seine schweren Hände immer wieder unter Beweis stellen will. Alleine diese kleine Auswahl an Boxern zeigt die Tiefe und Fülle an Talent in der Division.

Vergil Ortiz

Vergil Ortiz ist sicher eher in direktere Konkurrenz mit Boots Ennis im Kampf um die Anerkennung und Vormachtstellung auf amerikanischem Boden, und dem dazugehörigen riesigen Markt, als mit beispielsweise Avanesyan oder Connor Benn. Letzterer profitiert zweifelsohne von seinem Deal mit Matchroom und der damit zusammenhängenden Berichterstattung in Europa, als auch von seinem Legenden-Nachnamen. Die Trennung zwischen den amerikanischen und europäischen Lagern scheint auch hier wieder leider etwas zu groß.

Mit seinem letzten Sieg über Ex-Weltmeister Chris Algieri überzeugte Conor Benn ein weiteres Mal, jedoch kritisieren ihn nach wie vor viele Boxfans gerne und greifen schnell zur „Hypejob“-Keule. Viele Social-Media Verfechter fordern schon lange Kämpfe zwischen Oritz, Benn, Ava und Boots Ennis, jedoch vergisst der energische Fan gerne, dass Promoter mehr im Sinn haben als die Zahlen der Likes auf Kommentaren.

Connor Benn

Für keinen der Namen ergibt es groß Sinn sich jetzt gegenseitig herauszufordern. Jeder der Genannten steht auf der Warteliste für eine Chance auf einen Titel. Ein weiterer Grund warum Spence vs. Crawford passieren muss. Niemand will seinen Boxer im Vorfeld in der Versenkung verschwinden sehen, bevor er die Chance hatte um einen Titel zu boxen. Betrachtet man das Potential und das Talent der Welterweight Landschaft, könnt man schnell ins Träumen kommen, ein Revival der 80er mit den vier Königen des Mittelgewichts (Hearns, Hagler, Duran, Leonard) stünde bevor. Wieso auch nicht ? Grade in dieser Division und bei diesen jungen Boxern lässt sich eine großartige Rivalität wünschen. Ob die Promoter das so passieren lassen werden ist eine andere Frage aber zumindest vermitteln die Kämpfer alle den Eindruck, dass sie jede Herausforderung annehmen würden.

Mickey Garcia

Weitere namhafte Vertreter

Auch mit Namen wie Stanionis, Sandor Martin, Mickey Garcia, Abdukakhorov und Co., ist die

Division reich an soliden „Tests“ und Hürden für die jungen Verfolger. Das für 2022 angekündigte „Mega-Event“ zwischen Amir Khan und Kell Brook könnte je nach Verlauf auch nochmal dafür sorgen, dass einer der beiden Namen nochmal ein letzte Runde im Glanzlicht drehen darf. Als zu viel ist von dem Gewicht des Kampfes auf die Machtverhältnisse der Gewichtsklasse nicht zu erwarten, dennoch könnte Conor Benn durchaus davon profitieren. Egal ob Khan oder Brook gewinnt, ein Match-Up mit Benn Junior würde in England mit größter Sicherheit einschlagen wie eine Bombe. Das sind genau die Events, von denen Eddie Hearn nachts träumt, auch wenn ich mir sicher bin dass der Gewinner von Khan vs. Brook dann schon eher Kell Brook heißen müsste.

Sandor Martin

Und dann ist da noch Josh Taylor. Taylor steht kurz vor dem Sprung in die Division, nach dem er zuletzt eine Klasse drunter alle Gürtel zusammen führen konnte. Sollte Taylor dieses Jahr die Gewichtsklasse wechseln, zählt er in meinen Augen unmittelbar zu den Top 5 der Division. Jedoch fände ich eine direkte Herausforderung á la Bud Crawford oder Spence überhastet. Ebenso ist es fraglich wie lange Spence und Crawford selbst noch im Welterweight bleiben werden, sollte es zu einem alles entscheidenden Showdown der beiden Kontrahenten kommen.

Josh Taylor

Fazit

Auf das Jahr 2022 in der Welterweight Division kann man sich nur freuen. Natürlich warten wir alle gespannt auf den großen Knall in Spence vs. Crawford. Meiner Meinung wäre das DER KAMPF 2022, sollte es wirklich dazu kommen. Selbst wenn das nicht passiert, hat die Gewichtsklasse so viele junge Löwen hinten dran, die alle in der Lage dazu sind jeden Kampf mit jedem Champion spannend zu machen. Einige von ihnen sind sicher zu durchaus mehr in der Lage. Aber wir werden abwarten müssen bis die ersten Würfel anfangen zu rollen. Dennoch kann ich es kaum genug sagen: ich kann nicht aufhören davon zu träumen, was für ein Monster-Jahr dieser Division bevor steht.

5/5 - (43 votes)

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein