Ein neuer WM-Herausforderer, ein desolater Titelkampf und das vermeintliche Ende eines ehemaligen Hoffnungsträgers – die Nacht in London hatte Höhen und Tiefen.
Luke Campbell glückt die Revanche
Bevor im Main Event die Olympiasieger Anthony Joshua und Alexander Povetkin zu Werke gingen, hatte noch ein anderer Goldjunge eine Rechnung zu begleichen. Leichtgewichtler Luke Campbell traf in einem Ausscheidungskampf des WBC auf den Franzosen Yvan Mendy, der ihn vor rund drei Jahren die erste Profiniederlage zufügte. Damals schlug Mendy den britischen Hoffnungsträger in der Mitte des Kampfes nieder und drängte diesen mit einer hohen Schlagfrequenz zurück und punktete ihn aus.
Beim Rematch sah das Grundkonzept nicht übermäßig anders aus: Mendy marschierte nach vorne, versuchte Campbell seinen Stil aufzuzwingen und so eine Wiederholung des ersten Ausgangs zu erzielen, während „Cool Hand Luke“ in der Rückwärtsbewegung die Rolle des klassischen Boxers übernahm. Das Ganze mit dem Unterschied, dass der Engländer defensiv kompakter stand, clever von den Seilen wegglitt und mit klaren Händen das Geschehen beherrschte.
Insbesondere die Aktionen zum Körper stachen dabei heraus und waren oftmals das Zünglein an der Waage, wenn es auf die Wertung der jeweiligen Runde hinauslief. Zurecht hatten ihn die drei Punktrichter nach Vollendung der 12 Runden in Front (119-109, 118-111, 116-112). Campbell darf sich damit auf einen weiteren WM-Kampf einstellen – er ist jetzt Pflichtherausforderer von WBC-Champion Mikey Garcia.
Niveauarmer K(r)ampf um British Title
Damit hätte Promoter Eddie Hearn mit Sicherheit nicht gerechnet. Das Duell um den prestigeträchtigen British Title im Cruisergewicht zwischen Titelträger Matty Askin und Herausforderer Lawrence Okolie war nur in den allerseltensten Momenten als Boxkampf zu identifizieren, was das Publikum im Londoner Wembley Stadion zwischenzeitlich zu geisterhafter Stille, nach dem letzten Ringgong dann zu einem Pfeifkonzert verleitete.
Der größere und vor allem längere Okolie nutzte seine Reichweite zu keiner Zeit, fiel bei eigenen Aktionen förmlich in den Gegner hinein, klammerte dann nahezu exzessiv und „garnierte“ sein Vorgehen auch noch durch den reichlichen Einsatz der Ellenbogen und des Kopfes. Das brachte ihm im Laufe des Kampfes – in Runde 5, 8 und 11, um genau zu sein – drei Punktabzüge ein. Askin auf der anderen Seite bot dafür auch reichlich wenig an und war nicht unschuldig an diesem ermüdenden Gefecht.
Zu werten waren die Runden aufgrund der wenigen klaren Treffer sehr schwer, dass am Ende der Herausforderer trotz der Abzüge auf allen drei Punktzetteln – und das zum Teil klar – vorne lag (110-116, 112-114, 113-114), hat durchaus ein Geschmäckle.
David Price gibt auf!
Es hat mal wieder nicht sollen sein. Englands tragischer Schwergewichts-Held David Price sah gegen seinen russischen Gegner Sergey Kuzmin anfangs stärker aus als man das im Vorhinein vielleicht erwartet hatte. Zwar nutze der 2,03 m-Hüne seine Reichweite wie so oft nur äußerst ungenügend, konnte dem rund 10 cm kleineren Kuzmin dafür in der Halb- und Nahdistanz durchaus Paroli bieten und vor allem sehr solide Hände zum Körper ins Ziel bringen. Konditionell offenbarte der 35-jährige Liverpooler jedoch zum wiederholten Male enorme Defizite, was zur Folge hatte, dass Price schon früh schwer am schnaufen war.
In der dritten Runde gelang es ihm eine gute rechte Schlaghand ins Ziel zubringen, gefolgt von einigen wenigen Kopfhaken, die Kuzmin durchaus in Bedrängnis brachten. Der Amateur-Europameister von 2010 fing sich aber und erhöhte den Druck. Die löchrige Doppeldeckung Price’ überwand er spielerisch leicht mit eigenen Kopfhaken und bearbeitete ebenfalls den Körper seines Gegenübers.
Bis zum Ende der vierten Runde war dies alles in allem aber ein relativ ausgeglichenes, spannendes Duell, doch dann der Schock: in der Pause zur fünften Runde wollte David Price nicht mehr. Was ihm sofort als fehlender Kampfwille ausgelegt wurde, erklärte der Brite im Interview nach dem Kampf mit einer Armverletzung, die ihn schon in den Wochen vor dem Kampf geplagt hatte. Trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass Price nochmal die Gelegenheit bekommt, auf großer Bühne zu boxen. Für Sergey Kuzmin könnte allerdings nun noch lukrativere Angebote kommen.