In Kanada findet ein großer Titelhauptkampf statt, bei dem beide hochveranlagten Boxer eine direkte Verbindung zu Deutschland aufweisen.
Wenn man an Boxen in Kanada denkt, ist Eye of the Tiger nicht weit. Die Nummer 1 unter den Promotionen im Land veranstaltet an diesem Donnerstag einen weiteren Kampfabend. Der Austragungsort wird das Casino in Montreal sein. Mit Spannung wird der Hauptkampf im Supermittelgewicht erwartet, bei dem nicht nur zwei ungeschlagene und talentierte Boxer aufeinandertreffen, sondern auch zahlreiche Parallelen zu Deutschland das Duell hierzulande besonders spannend erscheinen lassen.
Osleys Iglesias – der neue Superstar im Supermittelgewicht?
Der Hauptkampf am Donnerstag lautet Osleys Iglesias (12-0) gegen Petro Ivanov (18-0-2); gekämpft wird um den IBO-Titel von Iglesias im Supermittelgewicht. Iglesias ist ein gebürtiger Kubaner, der jedoch seit einigen Jahren in Berlin trainiert und lebt. Mit Georg Bramowski an seiner Seite konnte Iglesias schon einige Ausrufezeichen setzen, darunter den Titelgewinn bei der IBO. Dieser soll jedoch lediglich ein Zwischenschritt in seiner Karriere sein, denn Iglesias verfolgt große Ziele.
Nun hegen natürlich alle Boxer gewisse Ambitionen, doch Iglesias ist jemand, der bislang so überzeugend und vernichtend in seinen Kämpfen auftrat, dass es bei ihm vielleicht nicht beim Wunschdenken bleibt – sondern er tatsächlich in absehbarer Zeit die unumstrittene Nummer 1 seiner Gewichtsklasse werden könnte. Natürlich ist das Supermittelgewicht hochklassig besetzt, man denke nur an den Boxsuperstar Saul „Canelo“ Alvarez (62-2-2), doch auch dahinter gibt es spannende Namen, unter denen auch Iglesias zählt.
Ein Haken bei dieser Betrachtung ist jedoch, dass viele Boxer bis zu einem gewissen Punkt herausragend wirkten – bis die Konkurrenz dann ebenfalls sehr stark wurde. Ein Blick auf Iglesias’ Rekord zeigt, dass er die absolute Weltklasse noch nicht herausgefordert hat. Es gab zwar starke Siege, darunter auch zuletzt der eindrucksvolle KO-Erfolg über Evgeny Shvedenko (17-2-1), doch diese Namen zählen tendenziell nicht zur ersten Kategorie im Weltboxen.
KO DEL AÑO!!!
Osleys Iglesias 🇨🇺 a Shvedenko para retener el Título IBO supermedio #ESPNKnockOut #ButlerVolny pic.twitter.com/cOSesOyQlQ
— ESPN KnockOut (@ESPNKnockOut) June 7, 2024
Petro Ivanov glaubt an den ganz großen Erfolg
Durch den russischen Angriffskrieg erhielt die ukrainische Community in Deutschland rasanten Zulauf; gleichzeitig gibt es schon seit Jahren eine Reihe talentierter Boxer aus der Ukraine, die ihre Profikarriere in Deutschland vorantreiben. Man denke nur an Fächer Sports, die zahlreiche talentierte Boxer aus der Ukraine unter Vertrag genommen hatten. Petro Ivanov war einer dieser Boxer, die in Karlsruhe ankamen und von großen Kämpfen träumten. Fächer Sports ist übrigens ein gutes Stichwort, denn Iglesias bezwang bereits zwei ehemalige Fächer-Schützlinge, den zuvor erwähnten Shvedenko sowie Andrii Velikovskyi (21-3-2), die beide gestoppt wurden.
Ivanov beeindruckt dies jedoch wenig; er glaubt an seine Chance und möchte der Welt beweisen, dass er ein echter Champion ist. Zuletzt kämpfte er auf P2M-Veranstaltungen und wartete auf den großen Kampf, der seine Karriere entscheidend prägen könnte. Nun ist es endlich soweit: sein möglicher internationaler Durchbruch! Die Aufgabe gegen den hochveranlagten und schlagstarken Iglesias ist enorm, doch wer Weltmeister werden möchte, muss sich auch gegen die besten Gegner behaupten.
„Ich glaube, jeder Profiboxer träumt davon, irgendwann diese Möglichkeit zu erhalten und um einen WM-Titel zu kämpfen. Außerdem – wenn man an der Spitze stehen will, muss man akzeptieren, dass alle Jungs in den Top 15 stark sind. Da oben ist die Luft dünn. Ich denke, wir haben beide die Chance, den Kampf zu gewinnen. Ich sehe das als einen 50:50-Fight. Das ist Boxen, da kann alles passieren. Natürlich, der Gegner ist ziemlich stark. Er hat Schlagkraft und technisch ist er auch gut. Aber er hat noch nie gegen jemanden wie mich gekämpft. Ich habe einen etwas anderen Stil und gehe davon aus, dass wir den Kampf gewinnen können“, sagte Ivanov im Boxen1-Interview vor dem Kampf.
Iglesias gilt als klarer Favorit vor dem Kampf
Der Kampf ist für beide Boxer von großer Bedeutung, denn es ist davon auszugehen, dass sie jeweils noch keinen stärkeren Gegner in ihrer Profikarriere herausgefordert haben. Iglesias möchte seinen IBO-Titel verteidigen und sich zugleich bei den vier großen Weltverbänden in Stellung bringen. Er ist aktuell die Nummer 5 der WBC und 7 der IBF.
Ivanov, der zuvor bei der IBF gerankt war, sieht den Kampf natürlich primär als große Gelegenheit, sich weltweit einen Namen zu machen. Wenn er es tatsächlich schaffen sollte, den starken Kubaner in Kanada zu bezwingen, wäre er schlagartig einer der herausragenden Namen in der starken Gewichtsklasse. Dies würde seine Karriere verändern, aber die Herausforderung ist enorm. So sehen es auch die polnischen Buchmacher, die Iglesias mit einer Quote von 1,1 zu 6,5 vorne sehen, was eine durchaus valide Einschätzung darstellt.
Ob es Ivanov gelingt, als Underdog in Kanada groß aufzutrumpfen, wird sich am Donnerstag zeigen. Es wäre ihm durchaus zu wünschen, da er ein bodenständiger und sympathischer Charakter ist, der über viel boxerisches Talent verfügt. Ungeachtet des genauen Ausgangs sei gesagt, dass dieser Kampf ein echtes Highlight der Woche ist, auf das man sich nur freuen kann.
Dzmitry Asanau möchte sich ebenfalls in Kanada einen Namen machen
Apropos Boxer aus Deutschland: Auf der Undercard wird Dzmitry Asanau (8-0) stehen, der im Leichtgewicht auf den erfahrenen Argentinier Matias Carlos Adrian Rueda (38-2) trifft. Asanau stand jahrelang bei Universum Box-Promotion unter Vertrag und machte seine ersten sieben Kämpfe in Deutschland. Nun hat er sich, wie zuvor Hauptkämpfer Iglesias, den Kanadiern von Eye of the Tiger angeschlossen, um seinen internationalen Durchbruch in Übersee zu schaffen. Asanau war ein absoluter Elite-Amateur und gilt als herausragender Techniker. Wer seine Kämpfe bei den Universum-Undercards in Deutschland verfolgte, konnte schnell die außergewöhnliche Qualität erkennen, die in Deutschland fast einzigartig ist. Schade natürlich, dass so ein Boxer fortan eher in Kanada kämpfen wird, doch in dieser Gewichtsklasse gibt es in Deutschland auch nicht sonderlich viele Alternativen.
Mit Rueda trifft er nun auf seinen ersten namhaften Gegner. Rueda war WM-Herausforderer der WBO im Federgewicht und lieferte sich zudem einen starken Kampf mit Liam Wilson (14-3) in Australien, den er knapp verlor. Qualität ist also durchaus vorhanden, doch da er ursprünglich aus dem Federgewicht kommt, wird er es physisch nicht einfach im Leichtgewicht haben. Mit 36 Jahren nähert er sich zudem dem „past-prime“ für die Gewichtsklasse, wodurch die Vorzeichen für Asanau günstig stehen. Dennoch sollte man Rueda keineswegs unterschätzen, insbesondere wenn man bedenkt, dass Asanau in der Vergangenheit schon am Boden war.
Legale Übertragung auf Punchinggrace.com
Einige Kämpfe sind leider im Vorfeld ausgefallen, sodass insgesamt sechs Kämpfe am Donnerstag in Kanada stattfinden sollen. Im Co-Mainevent steht Steven Butler (34-5-1), der sich nach einer harten Niederlage erfolgreich zurückmelden möchte.
Nun stellt sich natürlich die Frage in Europa, ob und wo man das Event verfolgen kann. Leider ist dies selbst im Jahr 2024 oft eine Frage, die man legal nur schwer bejahen kann. Die Kanadier von Eye of the Tiger sind jedoch eine löbliche Ausnahme, da sie weltweit ihre Events über den hauseigenen Aboservice Punchinggrace.com übertragen. Zwar benötigt man dafür ein kostenpflichtiges Quartalsabo, aber die legale Option besteht immerhin. In den USA wird das Event auf ESPN+ gestreamt.
Die Übertragung auf Punchinggrace ist in der Nacht zum Freitag ab 0:30 Uhr vorgesehen, der Hauptkampf könnte gegen 3-4 Uhr stattfinden.