Boxen1-Interview mit Serhat Parlak: „die Stimme der Stimmenlosen“

Serhat Parlak.
© Torsten Helmke

Ein Kämpfer mit Herz und Vision: Serhat Parlak vor seinem größten Kampf.

Es gibt Geschichten, die über den Ring hinausgehen. Sie erzählen von unerschütterlichem Glauben, unermüdlichem Einsatz und einer Mission, die weit über sportliche Erfolge hinausreicht. Serhat Parlak ist eine dieser Geschichten. Der junge Boxer aus Duisburg, der seine ersten Schritte in einer bescheidenen Turnhalle wagte, steht nun vor der größten Herausforderung seiner bisherigen Karriere: Ein Kampf gegen den ehemaligen Weltmeister Tyron Zeuge – ein Name, der Respekt und Anerkennung in der Boxwelt genießt.

Doch Serhat ist nicht nur ein Athlet, der sich auf diese Prüfung vorbereitet. Er ist ein Mensch, dessen Kämpferherz in und außerhalb des Rings schlägt. Er kämpft für mehr als Titel und Siege. Mit klaren Worten und großer Überzeugung macht er sich für das Gute stark, spricht über die Ungerechtigkeiten in der Welt und erinnert daran, dass der Sport auch eine Stimme für die Stimmenlosen sein kann.

Im Boxen1-Interview spricht Serhat Parlak über seinen Weg vom Amateur zum Profi, seine Ziele und die Werte, die ihn antreiben. Er gewährt einen Einblick in die intensive Vorbereitung auf den wohl größten Abend seiner Karriere. Am Samstagabend wird sich im Ring zeigen, ob sich Serhats akribische Vorbereitung und sein unerschütterlicher Glaube auszahlen.

Das Boxen1-Interview mit Serhat Parlak

Boxen1: Hallo, Serhat. In dieser Woche steht dein großer Hauptkampf an. Wie fühlst du dich?

Serhat Parlak: Ich fühle mich bombastisch und habe zehn Wochen intensive Arbeit und intensive Vorbereitung hinter mir. Jetzt kommt der spaßige Teil: der Kampf am Samstagabend.

Man sagt, dass eine Vorbereitung niemals ganz perfekt läuft. Wie zufrieden bist du mit der jetzigen?

Da kann ich wirklich zustimmen. Ich mache mir vor jeder Vorbereitung einen Plan, Ziele, die ich in einer Vorbereitung zu erfüllen habe, und dann verharre ich nicht beim Perfektionismus. Wenn alles zu 80 % klappt, dann bin ich schon super dankbar.

Hast du etwas konkret angepasst und verändert in der Vorbereitung im Vergleich zu den vorherigen?

Egal, ob ich gegen Tyron Zeuge boxe, einen bosnischen Aufbaugegner oder Canelo – meine Vorbereitung sieht immer gleich aus. Ich trainiere für jeden Kampf auf die gleiche Art und Weise. Ich gebe mein Bestes, versuche die Werte von der letzten Vorbereitung zu toppen und mich bestmöglich dem Gegner angepasst vorzubereiten. Keiner wird unterschätzt, keiner wird überschätzt – wir wissen, was wir können.

Wenn man weiß, was die Bestimmung von einem ist, dann spürt man das und bleibt dran

Serhat Parlak mit seinem Coach & Bruder.

Du blickst auf eine erfolgreiche Amateurlaufbahn zurück. Wie kamst du eigentlich zum Boxen?

Meine Freunde aus dem Bezirk – da wollte einer abnehmen, einer Kampfsport erlernen, einer einen guten Körper haben. Dann haben wir mitbekommen, dass in einer Turnhalle Boxen angeboten wird. Dann hat man einen Tag ausgemacht, an dem jeder zum Boxtraining gehen sollte. Wir waren ca. zehn Leute, und ich musste eine Englischklausur schreiben. Das hat mich so getroffen, da habe ich gesagt: Zum nächsten Training am Donnerstag gehe ich mit. Das erste Training war am Dienstag, das ich wegen der Vorbereitung auf die Klausur verpasst habe. Wenn man weiß, was die Bestimmung von einem ist, dann spürt man das und bleibt dran. Das habe ich schon ganz früh in meinem Leben herausgefunden. Ich wusste, was ich werden will und dass ich mir eine Zukunft mit dem Boxen aufbaue. Ich bin dafür gemacht.

Das ist auf jeden Fall eine bessere Anekdote als dieses obligatorische „Ich habe Rocky gesehen“.

Nein lacht. Das habe ich auch gesehen, aber das war nicht der ausschlaggebende Punkt.

Hast du denn sofort für dich gespürt, dass du nicht nur Spaß daran entwickelst, sondern auch Talent besitzt?

Ich sage es mal so: Ich habe mich früher sehr oft geprügelt in der Gegend. lacht Ich war so stark, dass ältere Kinder zu mir „Abi“ gesagt haben. Auf Türkisch heißt „Abi“ großer Bruder. Ältere haben mich „Abi“ genannt, aus Respekt und Angst, damit ich ihnen nichts antue, obwohl ich viel jünger war. Ich habe Kampfsport immer gefeiert und im Fernsehen geguckt. Sei es Thaiboxen oder WWE-Wrestling – alles Mögliche. Das hat mich immer fasziniert. Ich bin geboren, um zu kämpfen.

Ich will Weltmeister werden. Kannst du mich dahin bringen?

Dann bist du ins Profilager gewechselt und hast dich dem UGRO Box-Team in Oberhausen angeschlossen. Was sprach für diese Wahl, und wie zufrieden bist du mit der Entscheidung?

Ich wollte immer früh Profi werden, bin in die Nationalmannschaft gekommen, und dann kam Corona, wo sehr viele internationale Turniere abgesagt worden sind. Es hat sich alles weitere in die Länge gezogen, und schlussendlich wagte ich 2022 den Schritt ins Profilager. Erst einmal selbstständig, ohne das UGRO Box-Team. Dann war ich überall, bei jedem Promoter in Deutschland. Sparring machen, mich zeigen – jedoch hat mir der Charakter von sehr vielen Promotern und Managern, mit alldem, was sie versprechen und wirklich halten, nicht gefallen.

Eines Tages ist mir dann eingefallen: Ich habe für Ringfrei Oberhausen 3,5 Jahre als Amateur geboxt. Da habe ich meine ersten großen Erfolge geholt, wurde mehrmals NRW-Meister bei der Elite, deutscher Hochschulmeister, deutscher Vizemeister bei der Elite. Daraufhin bin ich nach Köln zum Stützpunkt gezogen. Das ist zwar eine andere Sache, aber dort ist mir eingefallen, dass Ringfrei Oberhausen noch einen Profibereich hat – das UGRO Box-Team.

Ich bin dann dorthin gegangen und habe gesprochen, denn ich kenne den Promoter, Kai-Uwe Großjohann. Den habe ich immer geliebt und geehrt als Kind. Als wir zum Beispiel vor Turnieren zu ihm hingegangen sind und nach Spesen gefragt haben, war er immer ein korrekter Mann. Das hatte ich im Hinterkopf und habe einen Termin vereinbart. Das Erste, was ich ihn gefragt habe, war: „Ich will Weltmeister werden. Kannst du mich dahin bringen?“ Er hat kurz überlegt und dann ja gesagt: „Ich kann dich dort hinbringen.“ Da war mir schon klar: Das ist der Mann, den ich suche. Dieser Mann glaubt an mich. Gott hat mich hierhin geschickt – hier bin ich richtig.

Dann haben wir uns gemeinsam aufgebaut. Das ist jetzt mein vierter Kampf für UGRO. Die drei Kämpfe vorher waren erfolgreich und souverän gegen wirklich klasse Gegner. Jetzt kommt der vierte Kampf gegen den Ex-Weltmeister Tyron Zeuge. Er ist der größte Name im Supermittelgewicht in Deutschland. Egal, wer was sagt – im siebten Profikampf so einen Gegner herauszufordern, das zeigt auch die Klasse vom UGRO Box-Team.

Andere Veranstalter richten viele Events selbst aus. Das ist bei UGRO etwas anders. Du hast ja selbst auswärts gekämpft. Siehst du darin vielleicht einen Nachteil?

Ich sehe da keine Nachteile. Wir wollten auch mehrere Veranstaltungen organisieren. Manchmal hängt nicht alles an den Boxern und Promotern, sondern an den Rahmenbedingungen. Wenn es nicht klappt, dann klappt es nicht. Wir haben auch sehr viele andere Veranstaltungen, bei denen wir boxen können. Jetzt zum Beispiel bei der German Boxing Series – eine riesige Veranstaltung. Von daher sehe ich da überhaupt keinen Nachteil, sondern eher einen Vorteil, weil mich andere Zielgruppen immer wieder sehen. Ich kann mich auf mehreren Bühnen präsentieren.

Wenn du dich als Boxer beschreiben müsstest: Was zeichnet Serhat Parlak aus?

Die Kombination aus Kämpferherz und Intelligenz. Das ist das, was mich ausmacht und von anderen Boxern unterscheidet. Manche können kämpfen, haben aber nicht die Intelligenz im Ring, sich gegen jeden Gegner einzustellen. Manche haben dafür die Intelligenz, aber nicht das Kämpferherz. Bei mir macht es einfach die Kombination aus.

Im Mai bekamst du deinen ersten Titelkampf im Profiboxen und hast die deutsche Meisterschaft gewonnen. Wie blickst du darauf zurück?

Das ist eine sehr schöne Erinnerung, weil das bis jetzt der größte Erfolg war – mit meinem kleinen Bruder. Wie wir die Vorbereitung gemacht haben, uns peu à peu gesteigert haben – und dann den ersten Titel gewonnen haben. Im sechsten Profikampf, in der Nähe meiner Heimatstadt, in Oberhausen. Das ist einfach eine schöne Erinnerung, die für immer in meinem Gedächtnis bleiben wird. Ich habe den Gürtel auch bei mir im Büro hängen.

Nun steht beim siebten Profikampf der erste richtig große Test an – gegen den ehemaligen WBA-Titelträger Tyron Zeuge. Wie lange hast du überlegt, dieses Angebot anzunehmen?

Ein Augenzwinkern hat ausgereicht.

Du wirst dir sicherlich Zeuges letzte Kämpfe noch einmal angeschaut haben. Was zeichnet ihn boxerisch aus, und worauf stellst du dich am Samstag konkret ein?

Den Tyron Zeuge brauche ich nicht extra vorzustellen, den kennt jeder. Ich kenne ihn auch sehr gut und habe nichts Schlechtes über den Jungen zu sagen. So wie ich ihn kennengelernt habe – es war jetzt nicht viel während der Promo – scheint er mir ein sympathischer Typ zu sein. Ein sehr schneller und explosiver Boxer. Er kann, wenn er will, sich auf jeden Gegner einstellen. Er ist boxerisch und technisch souverän ausgebildet. Also Tyron Zeuge – ich habe nichts Schlechtes über ihn zu erzählen. Umso größer wird der Sieg, wenn ich ihn am Samstagabend bezwinge.

Mein Bruder und ich haben sehr viele Kämpfe live angesehen. Wir haben ihn immer gefeiert. Ich bin wirklich kein Hater.

Der stolze Deutsche Meister, Serhat Parlak.

Du hast ja vorhin erzählt, dass du einige Kämpfe im Fernsehen angeschaut hast. Waren die Zeuge-Kämpfe auch dabei?

Genau. Mein Bruder und ich haben sehr viele Kämpfe live angesehen. Wir haben ihn immer gefeiert. Ich bin wirklich kein Hater. An erster Stelle geht es immer um den Sport, den Sport weiterzubringen und echten Boxsport zu zeigen. Oldschool Boxing – der Beste boxt gegen den Besten. Punkt aus. Ich habe mir viele Tyron Zeuge-Kämpfe angeschaut, die ganzen Weltmeisterschaften – aber auch einige Aufbaukämpfe im Rahmenprogramm von Arthur Abraham usw. An diese Kämpfe kann ich mich noch sehr gut erinnern, aber jetzt ist meine Zeit!

Was wird der Schlüssel zum Sieg gegen Zeuge sein? Rein boxerisch wird das sicherlich schwer werden. Kann womöglich über die bessere Kondition der Kampf entschieden werden? Ein hohes Tempo, insbesondere in den hinteren Runden?

Ich bin auf alles eingestellt. Auf Kampf eingestellt, auf technisches Boxen eingestellt. Alles, was Tyron Zeuge bringen kann, darauf bin ich vorbereitet. Von daher möchte ich nicht zu viel sagen, aber am Samstagabend werden wir sehen, was der eigentliche Schlüssel ist, um ihn zu besiegen.

Glaubst du denn, dass du in puncto Athletik und Physis besser aufgestellt bist?

Ich weiß aktuell nicht, in welcher Verfassung er ist – aber so wie man mich kennt: Der Serhat Parlak ist immer topfit gewesen und einer, der 365 Tage im Jahr, auch im Urlaub, trainiert. Kondition ist meine Stärke, Schnelligkeit, Intelligenz und Kämpferherz sind meine Stärken. Von daher ist es mir egal, wer athletisch besser aufgestellt ist, denn es gewinnt nicht nur derjenige, der athletisch stärker ist. Es gehört viel mehr dazu, um auf diesem Niveau den Sieg zu erringen.

Ich werde immer die Stimme der Stimmenlosen sein und für das Gute kämpfen

Nach deinem Sieg bei der deutschen Meisterschaft hast du schnell bewegende Worte über das Leid in Palästina verloren. Wie sehr beschäftigt es dich, dass man solche schlimmen Bilder im Nahen Osten oder auch in der Ukraine aktuell noch sieht?

Egal, zu welchem Kampf ich steige und steigen werde in der Zukunft, ich werde immer die Stimme der Stimmenlosen sein und für das Gute kämpfen. Ich werde immer an das Leid erinnern, das in der Welt passiert, und versuchen, eine Botschaft, die viel wichtiger ist als das Boxen, den Menschen nahezubringen und sie daran zu erinnern. Das ist mir sogar wichtiger als das Boxen selbst.

Abschließende Frage: Was kannst du allen Lesern am Samstag garantieren, wenn sie sich deinen Kampf gegen Tyron Zeuge bei der German Boxing Series anschauen?

Es wird definitiv ein Kampf für die deutschen Boxgeschichtsbücher!

Der Thriller Zeuge vs. Parlak bei der German Boxing Series – ab 17:30 Uhr auf Bild+

Die zweite Veranstaltung der German Boxing Series erfolgt am Samstag in Köln.

Der große Kampf zwischen Ex-Weltmeister Tyron Zeuge (28-2-1) und Serhat Parlak (6-0) findet am Samstagabend in der XPOST in Köln statt. Die German Boxing Series präsentiert insgesamt 11 sehenswerte Kämpfe, wobei Zeuge vs. Parlak den krönenden Abschluss bildet. 2000 Karten wurden im starken Vorverkauf vergriffen, wodurch das Event restlos ausverkauft ist. Boxsportfreunde können jedoch ab 17:30 Uhr den spannenden Kampfabend mit einem Bild+ Abo live verfolgen.

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