Boxen1-Interview mit Boxkommentator Tobias Drews

Tobias Drews - Chefkommentator Boxen, Sat.1

Exklusiv-Interview unserer Boxen1 Redakteurin Sandy Spiess

Wir von Boxen1 haben mit dem bekannten Boxkommentator Tobias Drews über seinen Werdegang, seine Erlebnisse, seine spannende Aufgaben als Boxkommentator- und Experte und seinen Wechsel von RTL zu Sat1 gesprochen.

Boxen1: Sind sie selbst im Ring aktiv oder wie sonst sind Sie zum Boxen gekommen? Was fasziniert Sie am Boxen?

Tobias Drews: „Ich habe einige Jahre intensiv trainiert und auch einige, wenige Kämpfe gemacht. Ich habe dann viel über Boxen für verschiedenen Tageszeitungen und auch überregionale Medien geschrieben. Meine erste Profiveranstaltung besuchte ich 1987 in Bielefeld. Zu der Zeit habe ich mir auch das erste Mal vom Taschengeld eine Ausgabe von „The Ring“ gekauft und wie auf einen Schatz drauf aufgepasst. Zu der Zeit ist der Funke übergesprungen und hat mich nicht mehr losgelassen. Kommentare von Peter Jensen und Ben Wett, die damals Boxen für die ARD gemacht haben, habe ich auf Kassette überspeilt und im Walkman gehört. Tyson vs. Bruno, Tyson vs. Spinks und so weiter. Später habe dann für das Magazin BoxSport gearbeitet, dann für Premiere und DSF zur Probe kommentiert und bin dann so auch 1996 zum TV gekommen.“

Boxen1:  Welche Personen im Boxsport sind eine Inspiration für Sie?

Tobias Drews: „Inspirierend sind für mich nicht nur die großen Stars, sondern auch viele der vielleicht eher unbekannten und auf den ersten Blick nicht sonderlich erfolgreichen Boxer. Die aber immer wieder aufstehen und weitermachen.“

Boxen1:  …auf diese Highlights bei meiner Zusammenarbeit mit RTL blicke ich gerne zurück:

Tobias Drews: „Es sind tolle Kollegen bei RTL, mit denen ich sehr gerne zusammen gearbeitet habe. Das hat den Abschied nicht ganz leicht gemacht. Und Highlights sind neben dem Gewinn des Deutschen Fernsehpreises natürlich viele der Inszenierungen der Übertragungen. Der Walk-In von Vitali im Comeback-Kampf gegen Sam Peter? Wladimirs Walk-In für den Fight gegen Eddie Chambers? Da kriege ich heute noch Gänsehaut. Das waren ganz besondere Momente.“

Boxen1: Ich freue mich auf diese neuen Aufgaben bei Sat1….:

Tobias Drews: „Oha, die Liste könnte sehr lang werden 😉 Es gibt einige sehr interessante Ideen und Projekte, die in der kommenden Zeit umgesetzt werden. Da darf und will ich noch nichts verraten, aber es wird sicher spannend. Grundsätzlich hat mich an der Aufgabe gereizt, dass ich wieder mehr mit der Basis zu tun haben kann. Also auch mit kleineren Kämpfen und Boxern auf dem Weg nach oben (oder unten, je nachdem). Das war ein stimmiges Gesamtpaket und daher habe ich mich dann dazu entschieden.“

Boxen1: Welche skurrilen / witzigen / aufregenden Ereignisse sind Ihnen während eines Einsatzes am Boxring passiert? Was ist der absolute Supergau?

Tobias Drews: „Der Klassiker ist sicher, wenn man bei einem Kampf die Boxer verwechselt. Das ist schon vorgekommen, als ich einen Rahmenkampf bei einer US-Veranstaltung noch ins Programm bekommen habe. Zweimal schwarze Haare, rote Hose, ähnlicher Name. Ärgerlich, kann aber vorkommen.

Bei einer Veranstaltung für DF1 saß ich mal in Lübeck am Kommentatorenplatz und plötzlich wurde mir richtig schlecht. Vielleicht was komisches gegessen? Ich musste kommentieren und dachte nur, hoffentlich musst du nicht kotzen. Vorsichthalber hatte ich meine Tasche schon mal leer gemacht. Ich hätte ja schlecht auf die Technik spucken können…. Ist dann aber zum Glück nichts passiert.

Und dann musste ich mal knapp 50 Minuten in einer Übertragung überbrücken, weil bei einem Boxer die Hände neu bandagiert werden musste. Es gab nur ein paar Standbilder aus der Halle, ab und an wurde ein Promi eingeblendet… Für solche Momente hat man immer ein paar Geschichten in der Hinterhand. Aber da muss man sehr schnell kreativ sein und sich etwas ausdenken. Das ist deutlich schwerer, als wenn man sich auf einen langen Arbeitstag von vorneherein einstellen kann. Meine längste Übertragung war letztes Jahr auf maxdome: Da habe ich 7:15h am Stück kommentiert…“

Boxen1: Welche Empfehlung können Sie Boxfans geben, die einen ähnlichen Beruf wie Sie anstreben? Ist es zu empfehlen mehrgleisig zu fahren? (Sie kommentieren doch z.B. auch noch Darts, oder?).

Tobias Drews: „Das hängt wohl immer vom Einzelfall ab. In allen Sportarten kann man kein „Experte“ sein, aber wenn man in der falschen Sportart einer ist, bringt es am Ende vielleicht auch nicht so viel…Woran erkennt man einen guten Kommentator? Ich denke, neben einer vernünftigen Stimme und entsprechender Ausdrucksweise sollte das Fachwissen stimmen. Also das statistische Wissen und Regelwerk und auch die Fähigkeit, einen Kampf oder ein Spiel zu „lesen“ und einschätzen zu können. Am Ende hat man immer deutlich mehr vorbereitet, als man im Kampf loswerden kann. Aber man muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Und auch im Blick behalten, für wen man das kommentiert. Wenn ich auf Sat.1 für viele Zuschauer kommentiere, dann muss ich andere Infos auswählen, als bei einer nächtlichen Übertragung eines Kampfes für die Hardcore-Fans.“

Boxen1: In einem Interview von 2012 habe ich gelesen, dass Sie „schon über 1000 Kämpfe in allen 17 Gewichtsklassen“ kommentiert haben. Eine beeindruckende Leistung! Verraten Sie uns wie hoch diese Zahl inzwischen ungefähr ist?

Tobias Drews: „Als ich 1996 damit anfing, ging auch ein Sender namens DF1 auf Sendung. Wir hatten also neben den wöchentlichen Ausstrahlungen in DSF (heute Sport1), auch noch mehrere Programmstunden mit Boxkämpfen für diesen Sender zu füllen. Wöchentlich. Dazu dann noch internationale Fightcards, die Live gesendet wurden und die Veranstaltungen der Universum-Box-Promotion. Da kommt in über 5 Jahren eben einiges zusammen…. Auf meiner ersten Live-Veranstaltung boxte Vitali Klitschko gegen Alben Belinski und Willi Fischer gegen Alexander Jacob. …“

Boxen1: Sat1 Ran Boxen wirbt mit dem Slogan „Home of the Champions“; Golovkin, Stieglitz, Abraham, Sturm – welche Duelle der 4 großen Namen wollen Sie gerne sehen? und in welcher Reihenfolge?

Tobias Drews: „Vielleicht kommt ja auch noch Jürgen Brähmer ins Supermittelgewicht und Vincent Feigenbutz hat seine Bereitschaft ja auch schon mehrfach deutlich gemacht…Sturm vs- Abraham ist sicherlich eines der ganz großen Duelle. Der Sieger gegen Brähmer? Oder Stieglitz vs. Brähmer? Ich kann da jeder denkbaren Konstellation etwas abgewinnen und sehe da nur gute und interessante Kämpfe. In diesem „Home of the Champions“ bin ich sehr gerne der Hausmeister…“

Boxen1: Sie haben Jahrelang die Kämpfe der Klitschko-Brüder kommentiert. Mittlerweile boxt nur noch Wladimir Klitschko. Sehen Sie seine Sieger-Ära in irgendeiner Form gefährdet? Wenn überhaupt: Wer könnte ihm jetzt oder in den nächsten Jahren gefährlich werden?

Tobias Drews: „Nach der Leistung gegen Kubrat Pulev halte ich Wladimir für unschlagbar. Keiner der derzeitig gehandelten Namen hat da eine reele Chance. Er kann sich im Grunde nur selber schlagen, in dem er schlechter oder weniger trainiert und einen Gegner unterschätzt. Aber Wladimir hat aus diesen Fehlern der Vergangenheit sehr viel gelernt und überlässt in seiner Vorbereitung ja nichts mehr dem Zufall. Von daher sehe ich ihn – ohne eine weitere Niederlage – seine Karriere beenden. Aber den Zeitpunkt wird er ganz alleine bestimmen… Ich kann mit vorstellen, dass er noch den Joe-Louis Rekord als längster amtierender Weltmeister brechen will. Dann müsste er noch bis 2017 boxen. Fit genug ist er dafür.“

Boxen1: Fluch oder Segen der einseitigen Schwergewichts-Spitze mit weniger Nachfolgern als in manch anderer Gewichtsklasse: Wo bzw. wie sehen Sie die Zukunft des Schwergewichts? Glauben Sie an eine boxerische Rückkehr von Vitali Klitschko?

Tobias Drews: „Kann ich mir nicht vorstellen. Vitali habe ich zuletzt bei der Beerdigung von Fritz Sdunek getroffen. Mein Eindruck ist, er hat mit seiner sportlichen Karriere abgeschlossen. Und dass Wladimir so dominant ist, kann man ihm ja auch nicht zum Vorwurf machen! Er holt das Optimum aus seinen Möglichkeiten heraus, die Herausforderer leider nicht. Sollte aber Wladimir zurücktreten, ist es doch wieder eine offene Klasse. Dann haben einige gute Boxer, die nie gegen Wladimir gewonnen hätten, eine Chance auf einen Titelkampf. Das wird qualitativ sicher schlechter, muss aber nicht langweilig sein. Ich kann mir da durchaus einige unterhaltsame Kämpfe vorstellen.“

Boxen1: Was halten Sie von der Titelflut mit Superchampions, Interimstiteln und allen möglichen regionalen Titeln. Wäre eine Sternebewertung für Kämpfe wie sie Boxrec.com verwendet eine Alternative?

Tobias Drews: „Sehr komplexes Thema. Grundsätzlich sollte immer die Qualität der Boxer entscheidend sein, nicht die Farbe oder Größe des Titels. Aber selbst mit der Bezeichnung „Superchampion“ verbinden sich ja unterschiedliche Bewertungen. Die WBA meint damit etwas anderes als die WBO… Die Grundidee war sicher gut. Genau wie bei den Interimstiteln. Das jetzt aber die WBA in beinahe jedem Limit drei Champions führt, ist gut für deren Konto und die Spesenabrechnungen der Offiziellen. Aber für den Fan ist das verwirrend. Und der Sport allgemein muss aufpassen, hier nicht zu viel Kredit bei den Fans zu verspielen. Titelflut bei den Profis, dazu die Veränderungen beim Amateurboxen – man braucht ja mittlerweile einen Kompass, um das alles im Blick zu behalten. Andere Sportarten haben es da leichter, in den Fokus zu rücken. MMA mit dem Verband UFC macht das ja vor. Da kämpfen die besten gegen die Besten, die Hallen sind voll und die Fans fühlen sich ernst genommen.

Bei der Sternebewertung muss man sich dann fragen: Wer vergibt diese Sterne und aufgrund welcher Kriterien? Hier spielen ja nur statistische Daten eine Rolle. Aber wer sich mit Matchmaking etwas auskennt, weiß, dass dies nicht alles ist. Es ist sicherlich ein zusätzliches Kriterium, aber nicht das entscheidende. Ich schaue auch immer: auf welchen Platz steht der Boxer beim Verband A. Wo ist er bei den anderen Verbänden? Wo bei Boxrec? Wo in der Computerrangliste, die ja mittlerweile auf der IBO-Seite beheimatet ist. So setzt sich dann ein Bild zusammen… „

Boxen1: Auf welchen Newcomer sind Sie gespannt, wer hat für Sie großes Potential?

Tobias Drews: „Hier wäre es ja eher unfair, sich nur einen oder zwei herauszupicken. Und es ist ja auch eine Frage, die genau man „großes Potential“ definiert. Man macht da sehr oft immer gleich die Schublade auf „Das wird ein neuer Henry Maske“. Ich denke, wir sollten den Jungs Zeit lassen, sich zu entwickeln und einen eigenen Weg zu gehen. Beispiel Schwergewicht: Ich kann mir gut vorstellen, dass ein smarter Typ wie Michael Wallisch eine gutes Zugpferd sein kann. Wird der Weltmeister? Schwer zu sagen. Aber er kann als Europameister in einer attraktiven Gewichtsklasse sicher auch sehr gute TV-Quoten bringen und ein Star werden. Das Potenzial ist vorhanden. Und so geht es ja einer ganzen Reihe anderer Talente ebenfalls. Die Liste ist glücklicherweise recht lang. Und ich freue mich, dass verschiedenen TV-Sender diesen Weg mit den Promotern und Boxern gemeinsam gehen werden. Da kann sich etwas entwickeln.“

Boxen1: Wer gewinnt laut Ihrer Einschätzung am 2. Mai: Manny Pacquiao oder Floyd Mayweather? Und warum? Werden Sie live dabei sein?

Tobias Drews: „Live werde ich wohl eher nicht dabei sein. Hängt aber derzeit ja auch noch davon ab, welcher TV-Sender in Deutschland bei der Rechtevergabe da am Ende das Rennen machen wird. Unabhängig davon (und das ich mir den Kampf in jedem Falle ansehen werde), rechne ich mit einem komfortablen Punktsieg von Mayweather. Er ist zu schnell und hat eine zu gute Defensive. Aber der Kampf hat so viele Facetten – das wäre ein absolutes Highlight, da als Kommentator dabei sein zu dürfen.“

Herzlichen Dank an Tobias Drews für das sehr freundliche Interview mit Boxen1!

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