Mit meinen neuen Partnern haben wir uns zusammengesetzt und eine Strategie für einen großen Titelkampf entwickelt.
Auf dieses Gespräch habe ich mich gefreut, denn Artur Mann, 29, Profiboxer, ist ein Gesprächspartner der niemals seine Ruhe verliert. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir beide aus Niedersachsen kommen und er als Hannoveraner und ich als gebürtiger Celler faktisch Nachbarn waren. In Zeiten der Corona-Krise hat sich AGON Sports & Events Neuzugang an Telefoninterviews gewöhnt, an seine Niederlage im Kampf um die Cruiser-Weltmeisterschaft mittlerweile auch.
Artur, Corona hat den Trainingsbetrieb in allen Boxställen lahmgelegt. Wie hältst du dich fit?
Ich bin in den letzten Wochen so viel gelaufen, wie nie zuvor. Ich ziehe mir direkt nach dem Aufstehen die Trainingsschuhe an. Wenn ich starte, sind kaum Menschen unterwegs, was in Zeiten von Corona gut ist. Ich laufe zwischen sechs und acht Kilometer, je nachdem wie anspruchsvoll meine zweite Trainingseinheit wird.
Die wäre?
Eine Stunde Kondition bolzen auf dem Spinning Rad und danach mit Schattenboxen auf dem Balkon auspowern.
Schattenboxen auf dem Balkon? Bleiben die Leute schon stehen?
Noch nicht, aber ich glaube, wenn es draußen heller wird, dass sie das dann tun werden. Schattenboxen auf dem Balkon ist halt ein ungewohntes Bild in Hannover. Irgendwie hat das was von Rocky. (Artur lacht)
Du hast 18-jährig, also sehr spät mit dem Boxen begonnen. Bereust du das heute?
Nein, auf keinen Fall. Ich hätte meine Kindheit und Jugend sonst nicht so erlebt, wie ich sie erlebt habe. Mit tiefen Freundschaften und dem Zusammenhalt in meiner Familie, mit meiner Mutter, meinem Onkel und meiner Oma.
Ich kenne einige, die wegen einer vielversprechenden Amateurkarriere in Sportinternate gewechselt sind und dafür ihr gewohntes Leben aufgegeben haben. Freunde und Familie waren nicht mehr für sie da, denn die Sportinternate waren zumeist weit weg von ihrem Zuhause.
Immer im Internat oder auf Veranstaltungen. Der eine oder andere ist daran zerbrochen und hat mit dem Boxen aufgehört, trotz allem Ruhm. Wer weiß, ob ich nicht auch verbrannt wäre, hätte ich mit zehn, statt mit 18 angefangen zu boxen. Kurzum, ich bin über den Verlauf meiner Kindheit sehr glücklich.
Wie verbringst du deine trainingsfreie Zeit?
Zurzeit liegen „Mensch ärger dich nicht“ und UNO ganz hoch im Kurs bei meiner Frau Viktoria, meinem Sohn Artjom und mir. Im UNO ist Artjom, trotz seiner drei Jahre, ein Profi. Verlieren ist nicht sein Ding. Dann kann es sein, dass er schon mal aufdreht.
Also ganz der Papa?
Um Gottes Willen! In seinem Alter war ich ein ganz ruhiges und braves Kind. Da kannst du meine Mutter fragen. Zu meiner Oma hatte ich ein ganz besonderes Verhältnis. Ich war immer ihr Liebling. Im Gegensatz zu mir, ist Artjom ein kleiner Racker. (Artur lacht) Das hat er bestimmt von Viktoria.
Und sonst?
Und sonst gehe ich Viktoria auf die Nerven, weil ich die Hausarbeit für mich entdeckt habe. Ich bin ein richtiger Putzteufel geworden, sehe immer wieder in Ecken, die schmutzig sein könnten. Mittlerweile ist unser Geschirrspüler mein bester Kumpel.
Du hast bisher nur eine Niederlage einstecken müssen. Wie sehr nagt die an Dir?
In Südafrika habe ich im Kampf um die IBO Cruiser-WM gegen Kevin Lerena verloren. Die Niederlage war schwer zu verdauen und das nicht, weil sie bis jetzt meine einzige im Profiboxen war. Verlieren gehört zum Sport, genauso wie das Siegen. Das ist mir vollkommen klar. In Südafrika hatte einfach nichts zusammengepasst. Lerena war am Kampftag besser als ich. Punkt. Und Boxen ist nun mal kein Fußball, wo du ausgewechselt wirst, wenn es einmal nicht läuft.
Was planst Du für die Zukunft?
Natürlich Titelangriff. Mit meinen neuen Partnern haben wir uns zusammengesetzt und eine Strategie für einen großen Titelkampf entwickelt. Die sah eigentlich vor, dass ich dieses Jahr noch zwei- oder dreimal boxen sollte, mit dem Ziel, um einen kleineren Gürtel zu kämpfen. EU- oder Europameisterschaft oder vielleicht um einen „International“. Trotz Corona, der Plan bleibt bestehen. Nur der Angriffszeitpunkt könnte sich verschieben.
Was fehlt dir in diesen Krisenzeiten am meisten?
Ganz klar das Boxen. Als ich früher täglich im Gym war, ist mir gar nicht aufgefallen, wie sehr ich diesen Sport liebe. Es ist irgendwie zur Gewohnheit geworden. Jetzt, wo ich das nicht mehr habe, weiß ich erst, wie sehr mir das Boxen fehlt. Ich könnte heulen, wenn ich mir Trainingsvideos von den Jungs und mir anschaue, wie wir am Sandsack arbeiten oder im Sparring stehen.
Wir müssen diesen Virus so schnell wie möglich besiegen. Deshalb bitte ich alle: Haltet euch an die Regeln!
Vielen Dank für das Gespräch, Artur