Interview mit Dan Rafael

Dan Rafael - US-Boxexperte von ESPN.com

Dan Rafael (US-Boxexperte von ESPN.com) zu Mayweather vs. Pacquiao

Exklusiv-Interview: Malte Müller-Michaelis

Dan Rafael ist seit zehn Jahren „Senior Writer“ bei ESPN.com, hat zuvor fünf Jahre für USA Today übers Boxen berichtet. Der mehrfach preisgekrönte Journalist (u.a. ausgezeichnet mit dem Nat Fleischer Award for Excellence in Boxing Journalism, verliehen von der Boxing Writer’s Association of America BWAA) stellt sich in einem wöchentlichen Chat den Fragen der Fans und gilt als einer der renommiertesten Box-Experten in den USA.

In ein paar Tagen steigt der Kampf zwischen Mayweather und Pacquiao. Hätten Sie vor sechs Monaten geglaubt, dass es wirklich soweit kommen würde?

Dan Rafael: Ich war lange skeptisch. Vor ein paar Jahren dachte ich, dass der Kampf stattfindet, wollte dann aber einfach nicht mehr daran glauben, um nicht enttäuscht zu werden. Ich habe immer zu allen Leuten gesagt: Ich glaube nicht, dass der Kampf kommt, aber ich hoffe, ich irre mich.

Nach dem langen Hin und Her der letzten Jahre: Wann wussten Sie, dass der Kampf wirklich stattfinden würde?

DR: Eine Stunde, bevor Floyd die öffentliche Ankündigung auf seinen Social Media Seiten gemacht hat, habe ich von beiden Seiten die Information bekommen, dass sie sich einig sind. Ich wusste, dass sie kurz vor einer Einigung stehen, und als beide Seiten mir sagten, dass die Ankündigung innerhalb der nächsten Stunde kommen würde, war mir auch klar, dass es tatsächlich wahr ist.

Viele Kritiker sagen, dass der Kampf fünf Jahre zu spät kommt. Wie sehen Sie das? 

DR: Vor fünf Jahren wäre es ein großartiger Kampf gewesen. Vielleicht hätten wir dann jetzt auch schon eine Trilogie. Aber es ist trotzdem nicht fünf Jahre zu spät. Beide sind Weltmeister, beide sind die Nummer 1 und 2 in der Pound-for-Pound-Rangliste, und die öffentliche Nachfrage nach dem Kampf ist unbeschreiblich.

Wie hat die lange Wartezeit den Kampf beeinflusst – sowohl wirtschaftlich als auch sportlich? 

DR: Wirtschaftlich ist der Kampf durch die Jahre des Wartens noch viel größer geworden. Von der sportlichen Seite her haben beide ein bisschen abgebaut, aber im selben Maß, sodass es auf dem Papier immer noch dasselbe ausgewogene Match ist, das es vor ein paar Jahren gewesen wäre.

Wer gewinnt den Kampf und wie?

DR: Ich habe immer auf Mayweather getippt, seit der Kampf zum ersten Mal diskutiert wurde. Ich denke, dass es wirklich schwer ist, eine Prognose abzugeben, aber ich gebe Floyd den leichten Vorteil wegen seiner Defensivqualitäten, seiner Ringintelligenz und seines gesamten Könnens. Er weiß einfach nicht, wie man verliert.

Wer profitiert mehr von der langen Verzögerung (die Bankkonten der beiden Boxer mal ausgenommen)? 

DR: Keiner von beiden.

Wenn ich mich recht erinnere, gehörten Sie zu einer Gruppe von Medienvertretern, die gesagt haben, dass der Kampf nie kommen könnte, weil Mayweather nicht mehr mit Bob Arum zusammenarbeiten will. Jetzt sind beide mittendrin, und der Kampf findet trotzdem statt. Wie haben sie es geschafft, sich zu einigen?

DR: Am Ende musste Mayweather einsehen, dass der Kampf einfach nicht kommen würde, wenn Bob nicht beteiligt wäre. Arum hat bei den Verhandlungen nicht in vielen Punkten nachgegeben, aber Floyd hatte keine andere Wahl.

Wer und was war letztlich entscheidend dafür, dass der Kampf zustande kam?

DR: Im Endeffekt mussten sich Floyd und Manny auf die Bedingungen einigen, deswegen sind sie verantwortlich, aber einen großen Beitrag hat auch Leslie Moonves geleistet, der CEO der CBS Gruppe. Er hat es geschafft, beide Seite zusammen zu bringen, weil er gute Beziehungen sowohl zu Arum als auch zu Al Haymon hat. Er war das Verbindungsglied.

Der Kampf wird zweifellos alle wirtschaftlichen Rekorde brechen. Macht ihn das automatisch zu einem der größten und wichtigsten Boxkämpfe aller Zeiten?

DR: Es wird der wirtschaftlich größte Kampf aller Zeiten sein. Ist es deswegen der größte Boxkampf aller Zeiten? Nein. Aber es ist der größte Kampf seit Jahrzehnten und ein lang erwartetes Aufeinandertreffen der beiden besten Boxer ihrer Generation. Das macht ihn natürlich schon zu einem historisch bedeutenden Kampf.

Bevor Sie den Kampf gesehen haben: Glauben Sie, dieser Kampf hat das Potenzial, in ihre persönliche Top 10 (oder vielleicht sogar Top 5 oder Top 3) der besten Kämpfe aller Zeiten einzuziehen?

DR: Das bezweifle ich, aber wir müssen natürlich erst mal abwarten und sehen, wie der Kampf abläuft.

Obwohl Floyd behauptet, der „Beste aller Zeiten“ (TBE – The Best Ever) zu sein, und absolut dominant ist, gilt keiner seiner Kämpfe schon jetzt als Klassiker. Wo steht er auf Ihrer persönlichen Pound-for-Pound-Liste der besten Boxer aller Zeiten? 

DR: Ich ordne keine Boxer in diese Liste ein, solange sie noch aktiv sind, aber ich denke, er wird sich in die Top 20 einreihen.

Und wo steht Manny in dieser Liste? 

DR: Ein bisschen unter Floyd – es sei denn, er besiegt ihn.

Styles make fights. Was für einen Kampf erwarten Sie aufgrund der unterschiedlichen Stile beider Boxer?

DR: Manny wird nach vorne gehen und Druck machen, Floyd kontert und sucht nach Lücken. Die Stile beider Boxer passen tatsächlich sehr gut zueinander.

Mayweather hat darauf bestanden, dass der Kampf in seinem Wohnzimmer, dem MGM in Las Vegas, stattfindet. Gibt ihm das einen „Heimvorteil“?
DR: Nein. Manny hat sehr, sehr oft in Vegas geboxt, und ich kann mir gut vorstellen, dass die Zuschauer eher für Pacquiao sind.

Durch Ihren wöchentlichen Chat sind sie sehr eng mit der Box-Fan-Gemeinde verbunden. Wer liegt bei den Fans vorne? 

DR: Ich habe das Gefühl, dass mehr Fans Manny die Daumen drücken.

Welche Frage in Bezug auf den Kampf wurde am häufigsten gestellt?

DR: Werden sie jemals kämpfen? Diese Frage wurde mir täglich gestellt – und das für mehr als fünf Jahre. Seit der Kampf feststeht, ist die häufigste Frage: Wer wird gewinnen?

Ist der Hype in Bezug auf den Kampf am absoluten Maximum angekommen, oder gibt es auch Leute, die sagen, dass sie sich nicht dafür interessieren?

DR: Mehr Hype geht nicht!

Wegen der Persönlichkeiten beider Boxer und ihrer langen Rivalität ist der Kampf über den Boxsport hinausgewachsen. Was bedeutet dieser Kampf fürs Boxen generell?

DR: Er rückt das Boxen in den Fokus des Mainstreams und der Öffentlichkeit. Wichtig ist, dass der Kampf zumindest annähernd den Hype rechtfertigt. Wenn der Kampf langweilig wird oder irgendetwas Verrücktes passiert, ist das schlecht fürs Boxen.

5/5 - (28 votes)